NATUR: Knapp hinter den Fledermäusen
Glindower erreichten den zweiten Platz beim Jugendumweltpreis von Potsdam-Mittelmark
Märkische Allgemeine, 02.12.2010
GLINDOW - Eine Gruppe von sechs Jugendlichen im Alter von 13 bis 16 Jahren, darunter ein Mädchen, die sich regelmäßig im Glindower Jugendtreff gegenüber der Grundschule versammeln, haben sich den Erhalt der Orchideen in den hiesigen Torfwiesen auf die Fahnen geschrieben.
Für die Torfwiesen, die sich mit dem Titel „Europäisches Naturerbe“ schmücken dürfen, war schon viel geplant worden: Informationstafeln, ein Steg und gar ein „Grünes Klassenzimmer“ sollten dem „biologischen Kleinod“ die gebührende Achtung einbringen – bei der Umsetzung haperte es jedoch.
Der Anstoß zum jüngsten Projekt kam, als Jugendliche bei einer Sitzung des Glindower Ortsbeirates zur Sprache brachten, dass ein wenig Geld für die Ausstattung des Jugendtreffs gebraucht würde. Der Ortsbeirat erwiderte, dass eine Beteiligung am Jugendumweltpreis sich eventuell auszahlen könnte – das war die Inspiration, sich am Wettstreit zu beteiligen.
Die Torfwiesen in Glindow sind eine Rarität, weil man auf ihnen eine Vegetation vorfindet, die für das Binnenland ungewöhnlich ist. Die dort wachsenden Pflanzen würde man eher an der Ostsee vermuten. Die Ursache, dass auf rund 100 Hektar Gewächse wie Sumpf-Knabenkraut, Strand-Aster oder Erdbeer-Klee gedeihen, ist in dem sehr salzhaltigen Zechsteinmeer zu finden, welches vor 250 Millionen Jahren unter anderem Glindow bedeckte.
Am Grund dieses riesigen Salzsees kam es zu beträchtlichen Salzablagerungen, auf denen sich dann in den darauf folgenden Jahrmillionen mehrere hunderte Meter dicke Sedimentschichten anlagerten. Salziges, in der Tiefe befindliches Wasser könnte nun zum oberflächennahen Grundwasser aufsteigen, wäre da nicht eine Tonschicht, die dies in den meisten Fällen verhindert – nicht so bei den Glindower Torfwiesen. Dort nämlich, wo die Eiszeit tiefe Rinnen in den Boden gezogen oder wo hoher Druck zu Wölbungen der Salzschicht geführt hat, treten Lücken im Ton auf – es entsteht eine Binnensalzstelle.
In Brandenburg existieren insgesamt 20 solcher Stellen. Merkwürdigerweise haben sich auf den Torfwiesen in Glindow auch Orchideen angesiedelt, die eigentlich nicht als Salzfreunde gelten. Neben den Halophyten (Pflanzen mit Vorliebe für salzige Böden) bevölkern auch verschiedene salzaffine Tierarten wie der Salzstellen-Buntschnellläufer oder der gefleckte Uferspringer dieses Areal.
Das Problem in Glindow war nun, dass die außergewöhnliche Vegetation von verschiedenen Faktoren bedroht wurde. Zum einen haben Schilf und anderes Gehölz die ortsuntypischen Gewächse immer weiter zurückgedrängt. Zum anderen ging die Gefährdung vom Menschen aus: das Flora-Fauna-Habitat diente Anwohnern zur Endlagerung der Gartenabfälle. Zudem trat aus einem Leck in einer Brauchwasserleitung kontinuierlich Wasser aus, das die Wiese förmlich überschwemmte und Nährstoffe aus dem Boden spülte.
Hier setzten die Jugendlichen mit Unterstützung von Sozialarbeiter Rodrigues Jorge, dem Ortsbeirat Fred Witschel und dem ehemaligen Biologielehrer Klaus König an. Sie veranlassten die Behebung des Rohrlecks und sprachen mit den Anwohnern über ihre Abfallentsorgung. Sie beseitigten Schilf sowie altes Gehölz und entwucherten einen Graben.
Die „Backfische“ sind dann am 13. November – einen Bericht ihrer noblen Taten im Gepäck – in Kleinmachnow vor eine Jury getreten, die unter den eingereichten Projekten den Sieger des diesjährigen Jungendumweltpreises von Potsdam-Mittelmark kürte. Knapp sind die Glindower hinter ein Projekt zur Rettung der Fledermäuse im Hohen Fläming auf den zweiten Platz gerutscht, aber auch damit blieb ihnen ein tröstliches Preisgeld von 600 Euro.
Das Geld soll nun dem Jugendtreff und den jungen Umweltschützern zugute kommen. Auch in Zukunft wollen sich die Jugendlichen um den Erhalt der besonderen Tier- und Pflanzenwelt in den Torfwiesen kümmern und ihre Erkenntnisse und Erfahrungen dokumentieren. (Von Julian Hund)